Kapitel 5 Geometrie 
Abschnitt 5.6  Winkelfunktionen: Sinus und Co.5.6.2 Trigonometrie am Dreieck
Fährt man eine Straße mit einem Gefälle von fünf Prozent bergab, nimmt die Höhe alle hundert Meter um fünf Meter ab. Dabei wird der Höhenunterschied im Vergleich zur Horizontalen betrachtet.
Demnach beträgt das Gefälle , wenn der Höhenunterschied zwischen zwei Positionen beträgt, deren horizontaler Abstand beträgt. Geometrisch formuliert, ist die Verbindungsstrecke zwischen den beiden Punkte eine Diagonale eines Quadrats. Damit hat der Winkel zwischen der horizontalen Vergleichsstrecke und der Diagonalen, auf der man sich bewegt, das Winkelmaß von .
Dies kann man auch so formulieren: Einem Winkel von entspricht eine Steigung von , das heißt ein Streckenverhältnis von von vertikaler zu horizontaler Strecke. Aufgrund der Strahlensätze ist das Streckenverhältnis von den Längen der einzelnen Strecken unabhängig. Es hängt nur davon ab, wie die Strahlen zueinander verlaufen, also wie groß der Winkel zwischen ihnen ist. Wenn diese Zuordnung zwischen Winkel und Streckenverhältnis auch für andere Winkel bekannt ist, kann man damit viele konstruktive Aufgabenstellungen lösen. Beispielsweise kann die Höhe zu einem gegebenen Winkel bestimmt werden.
Schon die Frage, welches Verhältnis zu einem Winkel von gehört, zeigt allerdings, dass die Bestimmung der Zuordung zwischen Winkel und Streckenverhältnis im Allgemeinen jedoch nicht so einfach ist. Deshalb wurden die aufwändig bestimmten Werte anfangs in großen Tafelwerken aufgeschrieben, um dann einfach nachgeschlagen werden zu können. Inzwischen sind die Werte mittels Taschenrechner und Computer praktisch überall verfügbar. Die gebräuchlichsten Zuordnungen von Winkel zu einem Streckenverhältnis werden im Folgenden vorgestellt. Sie werden Winkelfunktionen oder trigonometrische Funktionen genannt, und das mathematische Gebiet, das sich mit ihren Eigenschaften befasst, heißt Trigonometrie.
Die trigonometrischen Funktionen im rechtwinkligen Dreieck 5.6.1
    Es werden die gebräuchlichsten Winkelfunktionen als Zuordnungen zwischen Winkel und Seitenverhältnissen in einem rechtwinkligen  Dreieck beschrieben. Die Winkelfunktionen heißen auch  trigonometrische Funktionen. Dabei bezeichnet  einen Winkel in einem rechtwinkligen Dreieck, der  kein rechter Winkel ist. Die Gegenkathete ist die Seite, die dem Winkel   gegenüberliegt, und die andere Kathete wird Ankathete  genannt.  
    
  
- Die Zuordnung zwischen Winkel  und dem Verhältnis zwischen Gegenkathete   und Ankathete  wird als Tangens  
bezeichnet.
 -  Die Zuordnung zwischen Winkel  und dem Verhältnis zwischen Ankathete   und Hypotenuse  wird als Kosinus  
bezeichnet.
 -  Die Zuordnung zwischen Winkel  und dem Verhältnis zwischen Gegenkathete   und Hypotenuse  wird als Sinus  
bezeichnet.
 
Demnach beschreibt der Tangens die Zuordnung zwischen dem Neigungswinkel und dem Verhältnis zwischen Höhe und Breite, also der Steigung. Dies ist auch im Kapitel 8 im Kontext der geometrischen Interpretation der Ableitung von Bedeutung.
Der Tangens des Winkels ist nach der Definition
Somit genügt es, die Werte von Sinus und Kosinus zu kennen, um auch den Tangens berechnen zu können.
Beispiel 5.6.2
 Von einem Dreieck ist bekannt, dass es einen rechten Winkel   hat. Die Seite  ist ,  die Seite  ist  lang. Es sollen jeweils der Sinus, Kosinus und Tangens des Winkels  bestimmt werden:  
Der Sinus lässt sich sofort aus den Angaben berechnen:
   
Für den Kosinus wird die Länge der Seite benötigt, welche man mithilfe des Satzes von Pythagoras erhält:
   
Daraus folgt:
   
Damit ergibt sich für den Tangens
   
  
Der Sinus lässt sich sofort aus den Angaben berechnen:
Für den Kosinus wird die Länge der Seite benötigt, welche man mithilfe des Satzes von Pythagoras erhält:
Daraus folgt:
Damit ergibt sich für den Tangens
Aufgabe 5.6.3
     Es sollen einige Werte der Winkelfunktionen Sinus, Kosinus und Tangens näherungsweise grafisch bestimmt werden. Gehen Sie von rechtwinkligen  Dreiecken mit einer Hypotenuse  aus. Zeichnen Sie mithilfe des  Thaleskreises rechtwinklige Dreiecke für die Winkel 
   
Fertigen Sie Ihre Zeichnungen im Maßstab Längeneinheit an, und schreiben Sie die Messwerte zu den Seiten und in eine Tabelle.
Berechnen Sie zu jedem Winkel mit den gemessenen Werten den Sinus, Kosinus und Tangens, und überlegen Sie sich anschließend, wo auch Werte zu und zu existieren. Tragen Sie anschließend die Werte von Sinus und Kosinus in Abhängigkeit des Winkels in ein Diagramm ein.
       
Fertigen Sie Ihre Zeichnungen im Maßstab Längeneinheit an, und schreiben Sie die Messwerte zu den Seiten und in eine Tabelle.
Berechnen Sie zu jedem Winkel mit den gemessenen Werten den Sinus, Kosinus und Tangens, und überlegen Sie sich anschließend, wo auch Werte zu und zu existieren. Tragen Sie anschließend die Werte von Sinus und Kosinus in Abhängigkeit des Winkels in ein Diagramm ein.
Wenn man sich die Ergebnisse aus der letzten Aufgabe nochmals genauer ansieht, kann man auf verschiedene Ideen kommen, sie zu interpretieren, und dann einige Zusammenhänge erkennen.
-  Mit zunehmendem Winkel  nimmt die Gegenkathete  zu und die  Ankathete  ab.  
Ebenso verhalten sich zu und zu .
 -  Mit zunehmendem Winkel  nimmt  in dem gleichen Maß zu  wie  mit dem von  aus fallenden Winkel  abnimmt. Im  Thaleskreis sind die beiden Dreiecke mit den entgegengesetzten Werten  für  und  die zwei Lösungen für die Konstruktion eines  rechtwinkligen Dreiecks mit gegebener Hypotenuse und gegebener Höhe  (siehe auch das Beispiel 5.3.7). 
 -  Für den Winkel  ist die Ankathete die Seite im rechtwinkligen Dreieck, die aus Sicht des Winkels  als Gegenkathete bezeichnet wird (und umgekehrt). Somit gilt 
und
 -  Bei  sind die Katheten und damit auch Sinus und Kosinus  von  gleich. Diese Beobachtung führte eingangs umgekehrt zur Bestimmung des Steigungswinkels. 
 -  Der Tangens, also das Verhältnis von  zu , steigt mit zunehmendem  Winkel  von Null ins „Unendliche“. 
 
Im folgenden Beispiel wird die Überlegung aus der Einleitung fortgesetzt, die auf ein Dreieck mit einem Winkel von führte, um den zugehörigen Sinuswert exakt zu berechnen.
Beispiel 5.6.4
 Es soll der Sinus des Winkels  nun exakt berechnet, also  nicht wie in Aufgabe 5.6.3 aus  gemessenen (und damit fehlerbehafteten) Werten bestimmt werden.  
Wenn im rechtwinkligen Dreieck mit der Winkel gleich ist, so muss wegen der Summe der Winkel der Winkel auch gleich sein. Folglich sind die beiden Katheten und gleich lang. Ein Dreieck mit zwei gleich langen Seiten nennt man gleichschenklig.
    
 folgt. In der Aufgabe 5.6.3 wurde der Sinus  von  durch einen Wert von  angenähert, was dem  tatsächlichen Wert von  schon recht nahe kommt. 
Wenn im rechtwinkligen Dreieck mit der Winkel gleich ist, so muss wegen der Summe der Winkel der Winkel auch gleich sein. Folglich sind die beiden Katheten und gleich lang. Ein Dreieck mit zwei gleich langen Seiten nennt man gleichschenklig.
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Im nächsten Beispiel wird der Sinuswert zum Winkel berechnet. Hierfür wird zunächst nicht ein rechtwinkliges Dreieck sondern ein Dreieck mit drei gleich langen Seiten betrachtet. Mit einer geschickten Zerlegung und Berechnung einer weiteren „Hilfsgröße“ erhält man daraus das gesuchte Ergebnis.
Beispiel 5.6.5
    In diesem Beispiel soll ein gleichseitiges Dreieck betrachtet werden, um  zu berechnen.  Wie der Name sagt, sind in diesem Dreieck alle Seiten gleich lang, und auch  die Winkel sind alle gleich groß, nämlich  . Das Dreieck ist nach dem Kongruenzsatz „sss“ mit der Angabe einer  Seite   eindeutig bestimmt, und man erhält dieses, indem man die Seite   zeichnet und mit dem Zirkel einen Kreis vom Radius  um jede Ecke schlägt. Der Schnittpunkt der Kreise ist nun die dritte Ecke.  
  
Damit erhält man den gesuchten Wert
   
Aus diesem Dreieck kann man noch den Sinus eines weiteren Winkels berechnen: Die Höhe teilt den oberen Winkel in zwei gleiche Teile, sodass man in den beiden kleinen kongruenten Dreiecken jeweils den Winkel erhält. Es ist nun
   
  
Damit erhält man den gesuchten Wert
Aus diesem Dreieck kann man noch den Sinus eines weiteren Winkels berechnen: Die Höhe teilt den oberen Winkel in zwei gleiche Teile, sodass man in den beiden kleinen kongruenten Dreiecken jeweils den Winkel erhält. Es ist nun
Aufgabe 5.6.6
 Berechnen Sie den exakten Wert des Kosinus für die Winkel  ,  und .  Verwenden Sie dazu die Ergebnisse aus dem vorherigen Beispiel und aus der Aufgabe 5.6.3.  
       
In einer kleinen Tabelle werden die gefundenen Werte für oft verwendete Winkel zusammengestellt: Hier wird in der mit bezeichneten ersten Zeile der Winkel im Bogenmaß und in der mit bezeichneten letzten Zeile der Winkel im Gradmaß notiert.
\[ \begin{array}[t]{l|*{5}{c}} x & 0 & \tfrac{\pi}{6} & \tfrac{\pi}{4} & \tfrac{\pi}{3} & \tfrac{\pi}{2} \\[1mm] \hline \sin & 0 = \frac{1}{2} \cdot \sqrt{0} & \frac{1}{2} = \frac{1}{2} \cdot \sqrt{1} & \frac{1}{2} \cdot \sqrt{2} & \frac{1}{2} \cdot \sqrt{3} & \frac{1}{2} \cdot \sqrt{4} = 1 \\[1mm] \cos & 1 = \frac{1}{2} \cdot \sqrt{4} & \frac{1}{2} \cdot \sqrt{3} & \frac{1}{2} \cdot \sqrt{2} & \frac{1}{2} \cdot \sqrt{1} = \frac{1}{2} & \frac{1}{2} \cdot \sqrt{0} = 0 \\[1mm] \tan & 0 & \frac{\sqrt{3}}{3} & 1 & \sqrt{3} & - \\[1mm] \hline \alpha & 0^{\circ} & 30^{\circ} & 45^{\circ} & 60^{\circ} & 90^{\circ} % \end{array} \]
Diese Werte sollte man sich merken. Die Werte der trigonometrischen Funktionen für andere Winkel sind in Tabellen abgelegt bzw. mit dem Taschenrechner berechenbar.
Damit kann man dann aus einem Winkel und einem Abstand ganz einfach eine Höhe berechnen. Ist nämlich der Abstand zu einem Gebäude mit Flachdach, das unter einem Winkel beobachtet wird, ergibt sich aus nämlich . Ebenso können auch und verwendet werden, um Längen zu berechnen. Dieser Zusammenhang zwischen Winkeln und Längen wird oft verwendet.
Beispielsweise kann man so einen Flächeninhalt berechnen, auch wenn eine benötigte Länge nicht unmittelbar gegeben ist. Im folgenden Beispiel ist es eine Höhe in einem Dreieck, die zu berechnen ist. Da , ausgehend von einer Ecke, hier genannt, senkrecht auf der Geraden der gegenüberliegenden Seite steht, bilden die Ecken von und bzw. ein rechtwinkliges Dreieck. Mit einer Angabe zu einem Winkel und der entsprechenden Seite kann dann die Höhe aus oder aus berechnet werden, wobei von den konventionellen Bezeichnungen ausgegangen wurde.
Aufgabe 5.6.7
 Berechnen Sie den Flächeninhalt  eines Dreiecks mit den Seiten   und  sowie dem Winkel  zwischen den Seiten  und .  
Ergebnis:
       
Ergebnis:
: 
- Bindung
 - Diagonale
 - Diagramm
 - Dreieck
 - Grad
 - Hypotenuse
 - Kathete
 - Kongruenz
 - Kongruenzsatz
 - Kosinus
 - Kreis
 - Menge
 - Punkt
 - Pythagoras
 - Radius
 - Rechter Winkel
 - Rechtwinkliges Dreieck
 - Satz
 - Schnittpunkt
 - Sinus
 - Sinus und Kosinus
 - Steigung
 - Strahl
 - Strecke
 - Tabelle
 - Tangens
 - Thales
 - Trigonometrie
 - Trigonometrische Funktion
 - Unendlich
 - Winkel
 
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