Kapitel 4 Lineare Gleichungssysteme

Abschnitt 4.3 LGS mit drei Unbekannten

4.3.4 Die Additionsmethode

Der Grundgedanke der Additionsmethode, der auch schon früher andiskutiert wurde (siehe 4.2.3), besteht darin, Gleichungen des Systems so zu addieren, dass in der resultierenden Gleichung nur noch eine reduzierte Anzahl an Unbekannten auftritt. Dazu ist es meist erforderlich, vor der Addition eine der Gleichungen mit einem geschickt gewählten Faktor zu multiplizieren.
Die Additionsmethode soll für Systeme aus drei Gleichungen in drei Unbekannten gleich in einer Form vorgestellt werden, die sich leicht auf größere Systeme übertragen lässt. Dazu bedient man sich zur Illustration der Vorgehensweise noch einmal des einführenden Beispiels 4.3.1, also des Beispiels der möglicherweise diebischen Kinder:
Beispiel 4.3.8
Das zu einer erneuten Lösung auffordernde System linearer Gleichungen lautet also:

Gleichung (1):x-2y-2z=-30, Gleichung (2):-3x+y-3z=-30, Gleichung (3):-5x-5y+z=-30.

Gleichung  (1) wird im Folgenden unverändert beibehalten. Gleichung  (2) jedoch soll durch eine neue Gleichung ersetzt werden, die durch Addition von Gleichung  (2) mit der mit dem Faktor 3 durchmultiplizierten Gleichung  (1) - kurz notiert als (2)+3·(1) - gewonnen wird:

(-3x+y-3z)+3·(x-2y-2z)=-30+3·(-30)-5y-9z=-120  : Gleichung (2').

Ähnlich geht man mit Gleichung  (3) vor: Sie wird durch (3)+5·(1), also durch die Summe aus Gleichung  (3) und der mit dem Faktor 5 durchmultiplizierten Gleichung  (1) ersetzt:

(-5x-5y+z)+5·(x-2y-2z)=-30+5·(-30)-15y-9z=-180  : Gleichung (3').

Das System sieht jetzt folgendermaßen aus:

Gleichung (1):x-2y-2z=-30, Gleichung (2'):-5y-9z=-120, Gleichung (3'):-15y-9z=-180.

Aus den Gleichungen  (2') und (3') ist die Abhängigkeit von der Unbekannten x verschwunden - das war das Ziel und der Grund für die Faktoren 3 bzw. 5 bei den obigen Summationen.
Man könnte nun das Untersystem, bestehend aus den zwei Gleichungen  (2') und (3') in den zwei Unbekannten y und z mit einer anderen Methode, z.B. der Einsetzmethode, weiterbehandeln. Doch es soll lieber vollständig innerhalb der Additionsmethode gearbeitet werden: Dazu nimmt man im Folgenden Gleichung  (2') - ebenso wie Gleichung  (1) - von Änderungen aus; Gleichung  (3') soll aber nochmals ersetzt werden und zwar durch die Summe (3')+(-3)·(2'):

(-15y-9z)+(-3)·(-5y-9z)=-180+(-3)·(-120)18z=180  : Gleichung (3'').

Das System hat ein weiteres Mal sein Aussehen gewandelt,

Gleichung (1):x-2y-2z=-30, Gleichung (2'):-5y-9z=-120, Gleichung (3''):18z=180,

und besitzt nun - zumindest was die linken Seiten anbelangt - eine Art Dreiecksform.
Die Bestimmung der Unbekannten ist nun äußerst einfach: Die unterste Gleichung (Gleichung  (3'')) hängt nur noch von einer einzigen Unbekannten, nämlich z, ab und kann daher sofort aufgelöst werden, z=10.
Mit diesem Resultat für z geht man in die darüber stehende Gleichung (Gleichung  (2')), die dann unmittelbar das Ergebnis für die nächste Unbekannte, hier y, liefert: -5y-9·10=-120-5y=-30y=6.
Schließlich ergeben y und z in die oberste Gleichung (Gleichung  (1)) eingesetzt sofort die Lösung für die verbleibende Unbekannte, im vorliegenden Beispiel x: x-2·6-2·10=-30x=2.
Also ist die Lösungsmenge gegeben durch L={(x=2;y=6;z=10)}.
Die aufmerksame Leserin, der aufmerksame Leser mag sich beim Studium des obigen Beispiels unter Umständen die Frage stellen, ob - und wenn ja, warum - es zulässig ist, in einem System eine Gleichung durch eine andere zu ersetzen.Im Beispiel geschieht dies an drei Punkten, etwa wenn an die Stelle der Gleichung  (2) die Kombination Gleichung  (2) plus 3 mal Gleichung  (1), also Gleichung  (2'), tritt.
Wenn man nach der Lösung eines Gleichungssystems forscht, verlangt man die gleichzeitige Gültigkeit aller Gleichungen des Systems. Damit insistiert man - um im Beispiel 4.3.8 zu sprechen - mit der Forderung, dass Gleichung  (1) und Gleichung  (2) gelten sollen, klarerweise auch auf der Gültigkeit von

Gleichung (2)+3· Gleichung (1) Gleichung (2').

Gelten nun stattdessen simultan Gleichung  (1) und Gleichung  (2'), dann folgt umgekehrt auch die Gültigkeit von Gleichung  (2) mit

Gleichung (2')+(-1)· Gleichung (1)3· Gleichung (2) Gleichung (2).

Also ist es zulässig, im System Gleichung  (2) durch Gleichung  (2') zu ersetzen.
Zugleich erkennt man hier einen weiteren wichtigen Punkt: Würde man die eine Gleichung  (2') an die Stelle der beiden Gleichungen - Gleichung  (1) und Gleichung  (2) - treten lassen, so würde man an Information einbüßen und sogar einen Fehler begehen. (Die Forderung von nur (2') statt (1) und (2) ist eine wesentlich schwächere.) Dies ist der Grund dafür, warum man in die „neuen“ Systeme einige Gleichungen ungeändert übernimmt: Gleichung  (1) und Gleichung  (2) sind in den jeweiligen Systemen äquivalent zu Gleichung  (1) und Gleichung  (2'). Analoges trifft natürlich auch auf die anderen Ersetzungen in obigem Beispiel zu - und allgemeiner bei derartigen Umformungen Linearer Gleichungssysteme innerhalb der Additionsmethode.
Info 4.3.9
 
Bei der Additionsmethode werden Paare linearer Gleichungen des Systems - gegebenenfalls nach der Multiplikation (mindestens) einer der beiden Gleichungen mit einem geschickt gewählten Faktor (bzw. mit geschickt gewählten Faktoren) - mit dem Ziel addiert, dass in den resultierenden Gleichungen (zumindest) eine Unbekannte herausfällt. Dabei ist darauf zu achten, dass bei der fortschreitenden Lösungsfindung keine Information verloren geht, sprich, dass die Anzahl der (informationsrelevanten) Gleichungen stets erhalten bleibt. Am geschicktesten bringt man in diesem Zuge das Gleichungssystem auf eine Dreiecksform. Dann ist das anschließende Auffinden der Lösung besonders einfach.